Der Völkerrechtstext mit seinem vollständigen Titel Empfehlung zu Bildung für Frieden und Menschenrechte, internationale Verständigung, Zusammenarbeit, Grundfreiheiten, Global Citizenship und nachhaltige EntwicklungExterner Link: formuliert Leitlinien für die Ausgestaltung von Bildungssystemen und -inhalten. Damit stellt er einen Fahrplan für die Bildungspolitik und -praxis weltweit dar. Zentrale Aussage der Empfehlung ist: Vorangetrieben werden muss eine transformative Bildung, die Menschen dazu befähigt, die Zukunft gerechter, nachhaltiger, gesünder und friedlicher zu gestalten und zu Akteuren des Wandels zu werden. Explizit hebt die Empfehlung den bedeutenden Zusammenhang zwischen Bildung und der Umsetzung der Agenda 2030 hervor. 

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Nur eine Empfehlung?

Eine UNESCO-Empfehlung muss im Gegensatz zu einem „Übereinkommen“ zwar nicht zwingend in nationales Recht übersetzt werden - dennoch handelt es sich um Völkerrecht. Für die Mitgliedstaaten der UNESCO bedeutet dies, dass sie alle vier Jahre über die Umsetzung berichten müssen.

Leitprinzipien und Anwendungsbereich der Empfehlung

Die Empfehlung basiert auf dem ganzheitlichen und humanistischen Bildungsverständnis der UNESCO. Das heißt, sie bezieht kognitive wie auch sozio-emotionale, psychomotorische und verhaltensbezogene Dimensionen des Lernens mit ein. Bildung wird in der Empfehlung als Menschenrecht und öffentliches Gut bekräftigt, Lernende werden als Rechteinhaber anerkannt. Zu den insgesamt 14 Leitprinzipien gehören unter anderem die Förderung von Geschlechtergerechtigkeit durch Bildung, die Vermittlung von Solidarität, Mitgefühl und einer Ethik der Fürsorge, die Begünstigung des intergenerationellen und interkulturellen Dialogs sowie die Sicherstellung des Wohlergehens von Lernenden und des Bildungspersonals. 
 

Einzigartig an der Empfehlung ist, dass sie sich auf sämtliche Kontexte formaler, non-formaler und informeller Bildung bezieht. Denn gelernt wird nicht nur in Schulen und Universitäten, sondern auch im Beruf, in Sport- und Kulturvereinen oder in der Familie – und das ein Leben lang. Darüber hinaus nennt die Empfehlung Anforderungen an konkrete Bildungsstufen – von der frühkindlichen Bildung bis zur beruflichen Bildung, Hochschul- und Erwachsenenbildung. 
 

14 Leitprinzipien: Bildung soll…
auf den Menschenrechten basierenlebenslang, kontinuierlich und transformativ sein
für alle zugänglich und qualitativ hochwertig sein (Bildung als öffentliches Gut und als Gemeingut)chancengerecht, inklusiv und respektvoll gegenüber Vielfalt sein
auf dem Grundsatz der Nicht-Diskriminierung beruhenGedanken-, Gewissens-, Glaubens- und Religionsfreiheit sowie Rede- und Meinungsfreiheit gewährleisten und alle Formen der Verbreitung von Hass unterbinden
eine Ethik der Fürsorge, des Mitgefühls und der Solidarität vermittelnpartizipativ sein, insbesondere durch den ethischen und verantwortungsvollen Einsatz von Technologien
Geschlechtergerechtigkeit förderneine internationale und globale Perspektive integrieren unter Betonung der wechselseitigen Beziehungen zwischen lokalem und globalem Geschehen
die Ko-Kreation von Wissen fördernden Dialog zwischen Kulturen und zwischen Generationen fördern 
Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden aller Lernenden und Lehrkräfte sowie sonstigen Bildungspersonals sicherstelleneine Ethik der Global Citizenship und die gemeinsame Verantwortung für Frieden, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung zum Wohle alle vermitteln

Kompetenzvermittlung durch eine zeitgemäße Bildung

Einzigartig an der Empfehlung ist auch der Kanon von zwölf zentralen Kompetenzen, die eine zeitgemäße Bildung vermitteln soll (siehe Grafik). Hierauf haben sich erstmals alle Staaten der Welt geeinigt. Denn vor dem Hintergrund der komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – wie dem Klimawandel oder zunehmender gesellschaftlicher Spaltung – muss Bildung heutzutage weit mehr leisten als die Vermittlung von Wissen. 

Kompetenzen, die eine zeitgemäße Bildung vermitteln soll.
Zwölf Kompetenzen, die eine zeitgemäße Bildung vermitteln soll.

Moderne Konzepte als Grundlage einer transformativen Bildung

Im Zentrum der neuen UNESCO-Empfehlung steht das moderne, umfassende Friedensverständnis. Frieden ist demnach nicht nur die Abwesenheit von Krieg und unmittelbarer Gewalt, sondern ein Prozess, in dem Menschen zusammenwirken, um eine gerechte, nachhaltige und inklusive Zukunft aktiv mitzugestalten. Aufgabe der Bildung ist nach dem neuen Völkerrecht, allen Menschen das Handwerkszeug zu vermitteln, Frieden zu leben. Kriege und Konflikte, aber auch die Auswirkungen der Klimakrise beeinträchtigen das Leben von Menschen heute immer stärker. Daher muss Bildung Kompetenzen und Wissen um die wechselseitige Abhängigkeit von Gesellschaften, über die Endlichkeit natürlicher Ressourcen und den Schutz von Ökosystemen vermitteln. Entsprechend führt die Empfehlung Bildungsansätze und -konzepte wie Friedens- und Menschenrechtsbildung, Bildung für nachhaltige Entwicklung, aber auch kulturelle Bildung zusammen. 

Insgesamt ist der Empfehlungstext überaus modern. Er fordert eine nicht-diskriminierende umfassende Sexualerziehung für alle Menschen und ist damit ein Bekenntnis zu individueller Entwicklung und Freiheit. Dass sich die internationale Staatengemeinschaft auf einen derart fortschrittlichen Völkerrechtstext zur Bildung mit starkem Menschenrechtsfokus verständigt hat und dass auch autoritäre Regime diesen Konsens mittragen, ist ein Meilenstein.

Auch die Auswirkungen, Chancen und Risiken von neuen Technologien und deren Implikationen für das Bildungswesen sind in der Empfehlung abgebildet. Lernende sollen dazu befähigt werden, Desinformation, Online-Missbrauch und Hassrede im digitalen Raum zu identifizieren und zu bekämpfen. Gleichzeitig bieten digitale Medien Chancen für den Abbau von Ungleichheiten. 

Wie gestaltet sich die Umsetzung der Empfehlung?

Bildungspolitischen Entscheidungsträgerinnen und -trägern kommt eine besondere Verantwortung bei der Umsetzung der Empfehlung zu. Der Text ist aber für zahlreiche Akteure bei der Gestaltung und Weiterentwicklung unseres Bildungssystems zentral - von pädagogischen Fachkräften in Schulen, Universitäten, Museen und Vereinen, über Lernende und deren Eltern bis hin zur Zivilgesellschaft. Die Deutsche UNESCO-Kommission begleitet und unterstützt die Umsetzung der Empfehlung in Deutschland. 

Entstehung der Empfehlung: zwei Jahre intensive Verhandlungen

Der neue Völkerrechtstext basiert auf der Weltbildungsempfehlung der UNESCO aus dem Jahr 1974, die erstmals den Beitrag von Bildung zu Frieden, internationaler Verständigung und Gerechtigkeit systematisch erfasst hat. Über Jahrzehnte hinweg war sie wegweisend für die Entwicklung internationaler Grundsätze und Standards in der Bildung. Ihre Inhalte und Konzepte waren jedoch im Laufe der Jahrzehnte zunehmend veraltet. Daher beschloss die UNESCO 2021, den Text zu überarbeiten. Der intensive Überarbeitungsprozess des Empfehlungstexts dauerte rund zwei Jahre. Auf Basis eines von Expertinnen und Experten erstellten Entwurfs verhandelten Vertreterinnen und Vertreter der UNESCO-Mitgliedstaaten in mehreren Runden Wort für Wort den finalen Text. Für Deutschland verhandelten vor allem die Kultusministerkonferenz und die Deutsche UNESCO-Kommission. 

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