Seit Jahrhunderten tauschen sich Forschende quer zu Grenzen aus und gewinnen Erkenntnisse durch Austausch. Im 20. Jahrhundert sind große internationale Konsortien in den meisten wissenschaftlichen Disziplinen zur Norm geworden – Konsortien mit vorrangiger Beteiligung der Industrieländer. Damit auch andere Staaten mitwirken können, hat die UNESCO und haben andere Organisationen unter anderem „internationale Labore“ wie CERN, EMBL, CGIAR und SESAME gegründet, was nicht nur die Wissenschaft, sondern auch den Frieden stärkt. Gerade in Zeiten zunehmender geopolitischer Polarisierung und Konflikte wird Wissenschaftskooperation als Brückenbauer noch wichtiger.
Die Deutsche UNESCO-Kommission setzt sich dafür ein, dass Deutschlands Wissenschaftskooperation mit Ländern mit geringer Wirtschaftskraft als „normale“ Wissenschaftskooperation verstanden wird, nicht als „Entwicklungshilfe“. Solche internationale Wissenschaftskooperation muss daher „gleichberechtigt“ organisiert sein. Zwar ist fast in allen Grundsatzpapieren der deutschen Wissenschaftskooperation das Prinzip der „Augenhöhe“ gefordert – die Forderung bleibt aber zu oft Lippenbekenntnis und wird selten konsequent in die Praxis umgesetzt. Dabei gibt es dafür viele gute Argumente, wobei im Vordergrund steht, dass die Stärkung der Staaten niedriger Wirtschaftskraft in ihrer Fähigkeit zu Transformation und Problemlösung auch uns selbst hilft: Denn globale Probleme müssen global gelöst werden. Dazu hat die Deutsche UNESCO-Kommission 2024 ein Positionspapier mit konkreten Impulsen vorgestellt, um internationale Wissenschaftskooperation mit allen Staaten tatsächlich in der Praxis gleichberechtigt auszugestalten.
Institute unter UNESCO-Schirmherrschaft
Wichtige UNESCO-Instrumente für die Stärkung sind auch die sogenannten “Kategorie-2-Institute”. Die UNESCO spricht solchen Instituten für die Dauer von acht Jahren die Schirmherrschaft aus. Alle diese Institute sollen zu einem Schwerpunktthema der UNESCO drei Aufgaben erledigen: Forschung, Ausbildung und Förderung der internationalen Vernetzung. Besonders viele dieser Institute gibt es in zwei Themenfeldern: Der Forschung zum Wasserkreislauf und die Arbeit zu und mit Kulturerbe, jeweils etwa 40 Institute gibt es in diesen Themenfeldern. Insgesamt gibt es weltweit über 100 “Kategorie-2-Institute”. Deutschland hat zwei davon:
Andere wichtige UNESCO-Institute und Programme zur internationalen Vernetzung
Die UNESCO trieb schon 1954 die Gründung der Europäischen Organisation für Kernforschung CERN Externer Link:in Genf voran, dem weltweit größten und bekanntesten internationalen Forschungslabor.
SESAME: Im Jahr 2000 hat die UNESCO das erfolgreiche Konzept des CERN auf den Nahen Osten übertragen, und die Staaten der Region beim Aufbau des Synchrotronlabor SESAME (Centre for Synchrotron Light and Experimental Sciences and Applications in the Middle East) an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Al-Balqa in Jordanien unterstützt. Wie im Fall von CERN eignet sich die Einrichtung für Forschung in vielen naturwissenschaftlichen Disziplinen, aber auch für industrielle und medizinische Anwendungen. Seit 2017 ist SESAME vollumfänglich fertiggestellt und im Praxisbetrieb. Deutschland spielte eine große Rolle beim Bau von SESAME. So stammt die Ringbahn zur Teilchenbeschleunigung beispielsweise aus Berlin-Wilmersdorf.
Dass SESAME auch heute noch funktioniert, wäre ohne die UNESCO undenkbar. Die UNESCO betreut das staatliche Gremium, in dem Delegierten aus dem Nahen Osten als Hauptentscheidungsinstanz von SESAME seit 2003 statt zweimal jährlich zusammenkommen. Mitglieder des Gremiums sind Ägypten, Bahrain, Iran, Israel, Jordanien, Pakistan, Palästina, die Türkei und Zypern. Deutschland ist eines der derzeit zehn Länder mit Beobachtungsstatus. Der erste Vorsitzende dieses Rates war bis 2008 Herwig Schopper, der dritte Vorsitzende seit 2017 ist erneut ein Deutscher, Prof. Rolf-Dieter Heuter.
Webseite: http://www.sesame.org.joExterner Link:
ICTP: Das internationale Abdus Salam Zentrum für theoretische Physik im italienischen Triest ist eines der wichtigsten Forschungsinstitute der Physik weltweit. Die UNESCO ist für das Management des ICTP zuständig. Seit Gründung 1964 fördert das ICTP vorrangig Forschende aus einkommensschwachen Ländern. Über 100.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler waren dort bereits tätig, 20 % davon aus Afrika, 35 % aus Asien, und 15 % aus Lateinamerika. Gründer war der Nobelpreisträger Abdus Salam: Er schaffte es, mitten im Kalten Krieg Forschende aus Staaten der NATO und des Warschauer-Pakts und aus Ländern des Globalen Südens zusammenzubringen. Möglich war dies nur, weil neben der italienischen Regierung als Hauptfinanzier von Anfang an die UNESCO und die Internationale Atomenergie-Behörde Träger des ICTP waren.
Die Forschungsthemen des ICTP sind vielfältig und reichen von der Medizinphysik, über Umweltökonomie, Wetter- und Klimaphysik, bis zu Kosmologie und Mathematik. Seit 1996 ist die UNESCO allein für das Management des ICTP verantwortlich (sogenanntes Kategorie-1-Institut). Die UNESCO finanziert Programme des ICTP mit ungefähr 500.000 US-$ jährlich.
Webseite: http://www.ictp.itExterner Link:
IGCP: Die UNESCO betreibt ihr Internationales Geowissenschaftliches Programm seit 1972 zusammen mit der International Union of Geological Sciences (IUGS). In diesem Rahmen wurden weit über 500 multinationale Forschungsprojekte organisiert und weit mehr als 25.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen publiziert. Raison d'être ist, dass geologische Prozesse nicht an nationalen Grenzen haltmachen. Konkret arbeiten in etwa 30 IGCP-Projekten parallel jeweils bis zu 100 Forschende aus Dutzenden von Ländern für fünf bis sechs Jahre zusammen. Die Grundfinanzierung dieser Projekte wird immer aus anderen Mitteln geleistet, die UNESCO steuert kleinere Geldbeträge für Fachkonferenzen und Feldstudien bei, um die Teilnahme von Forschenden aus einkommensschwachen Ländern zu ermöglichen.
Deutschland beteiligt sich sehr aktiv am IGCP. Deutsche Forschende sind, oft in leitender Funktion, an etwa der Hälfte der Projekte beteiligt. Seit 2023 koordiniert die Deutsche UNESCO-Kommission die deutsche Mitwirkung im IGCP. Zusammen mit dem Nationalkomitee für Geoparks werden geplante geowissenschaftliche Forschungsvorhaben mit deutscher Beteiligung hinsichtlich ihrer Passung für das IGCP beraten und geprüft. Ein Empfehlungsschreiben ist Bedingung für alle IGCP-Projektanträge mit deutscher Co-Projektleitung. Die jährlichen Berichte der laufenden IGCP-Projekte mit deutscher Co-Projektleitung werden gesammelt und der UNESCO vorgelegt.
Zur Minderung der Auswirkungen von Naturkatastrophen fördert die UNESCO auch den grenzüberschreitenden Austausch seismologischer Daten. Das GFZ Potsdam organisiert mit der UNESCO seit den 1980er Jahren jährlich einen Kurs zum Thema Seismologie und Erdbebengefahren.
IBSP: Das International Basic Sciences Programme unterstützt die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in den grundlegenden Naturwissenschaften und in der naturwissenschaftlichen Bildung. Ziel ist der Aufbau solider wissenschaftlicher Strukturen und Fähigkeiten in allen Mitgliedstaaten. Je nach Bedarf der einzelnen Weltregionen werden entweder bestehende internationale Netzwerke zwischen Exzellenzzentren gestärkt oder neue Netzwerke etabliert.